Bestimmte Nahrungsmittel sind bekannte Trigger für Migräneattacken. Doch wie bedeutsam ist z. B. Schokolade als Auslöser? Erste Studien zeigen, dass einzelne Inhaltsstoffe von Schokolade auch Vorteile für die Migräne-Prävention bieten könnten. Welche das sind, erfahren Sie hier.
Schokolade kann auch anders – mit Magnesium & Tryptophan
Je nach Studie geben 25-44 % der Patientinnen und Patienten mit Migräne an, dass bestimmte Nahrungsmittel Kopfschmerzen auslösen können, darunter auch Schokolade.1-4 Doch neben den negativen Auswirkungen gibt es auch erste Hinweise auf mögliche protektive Effekte des Genussmittels auf die Migräne.5
In der Schokolade enthaltenes Magnesium könnte einen positiven Effekt in der Migräneprophylaxe haben: In einer Population, die in allgemeinärztlichen Praxen betreut wurde, zeigte sich eine Dosis von 24 mmol/d wirksam.6 Eine Dosis von 10 mmol/d war wiederum bei Betroffenen, die in Kopfschmerzzentren behandelt wurden, nicht wirksam.7 Allerdings wird die notwendige Dosierung von Magnesium wegen Diarrhöen häufig nicht erreicht.8 Riboflavin kann möglicherweise die Migräne-Frequenz reduzieren.9 Die Einnahme von einer Kombination aus Magnesium, Riboflavin und Q10 in einer randomisierten, kontrollierten Studie führte zu einer reduzierten Frequenz sowie einer signifikant reduzierten Intensität der Migräne.10
Tryptophan, der Vorläufer von Serotonin, könnte einen positiven Einfluss auf die Migränehäufigkeit haben.5 Aus einer Studie lassen sich Hinweise ableiten, dass durch eine täglich erhöhte Tryptophan-Aufnahme (0,84 bis 1,06 g/Tag im Vergleich zu ≤ 0,56 g/Tag) das Migräne-Risiko reduziert sein kann.11 Im Gegensatz dazu könnte der Konsum von Schokolade aber theoretisch auch zu einer Migräneattacke führen, indem der Serotoninspiegel erhöht wird. Diese Theorie wurde bisher jedoch noch nicht belegt.5
Außerdem könnte der Konsum von Kakao die Expression von Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) inhibieren, wie eine tierexperimentelle Studie aufzeigte.12 CGRP spielt eine wesentliche Rolle in der Pathophysiologie der Migräne: Das Peptid wird im trigeminovaskulären System freigesetzt, infolgedessen kommt es u. a. zur neurogenen Entzündung und Vasodilatation sowie zur erhöhten Synthese von Stickstoffmonoxid (NO).13 Hinsichtlich der CGRP-Hemmung durch Kakao zeigte die tierexperimentelle Studie, dass unter einer Kakao-haltigen Diät signifikant niedrigere basale Levels von CGRP in Neuronen des Trigeminus-Ganglions vorlagen.12
Schokolade könnte also nicht nur ein Migräne-Trigger sein, sondern möglicherweise auch mittels seiner Inhaltsstoffe protektiv auf die Migräne wirken. Allerdings sind hier weitere Studien nötig, um dies zu belegen. Welche Inhaltsstoffe der Schokolade könnten hingegen eine Migräneattacke verursachen?
Flavanole & Phenylethylamine könnten vaskuläre Auswirkungen haben
Nach aktuellem Kenntnisstand könnten die in der Schokolade enthaltenen Flavanole zu einer Migräneattacke führen, indem sie die Aktivität der endothelialen Stickstoffmonoxid-Synthase (eNOS) stimulieren und eine verstärkte NO-Produktion auslösen.14 NO ist wichtig für die Regulierung der Gehirndurchblutung und eine Vorstufe dieses Moleküls kann in Migräne-Betroffenen Kopfschmerzen verursachen.15 In welchem Ausmaß Flavanole die Pathophysiologie der Migräne beeinflussen, ist aktuell jedoch noch nicht verstanden.
Darüber hinaus könnte das bei der thermischen Verarbeitung von Kakao entstehende ß-Phenylethylamin Migräneattacken begünstigen. In einer tierexperimentellen Studie mit Pavianen führte eine erhöhte Konzentration dieses Alkaloids zu einem reduzierten zerebralen Blutfluss und löste ein Migräne-ähnliches Muster zerebrovaskulärer Ereignisse aus.16
Ein Review von 23 Studien zeigte, dass lediglich ein geringer Prozentsatz der Teilnehmenden (1,3 bis 33 %) von Schokolade als Migräne-Trigger berichtete.5 Die Unterscheidung zwischen Auslöser und prämonitorischen Symptomen ist nicht immer eindeutig, da der Verzehr von Schokolade vor einem Migräne-Ereignis auch auf Heißhungerattacken im Rahmen einer Prodromalphase zurückgeführt werden kann.5 Somit assoziieren Patientinnen und Patienten den Konsum mit der Migräne, auch wenn das Genussmittel die Kopfschmerzen nicht ausgelöst hat. Aufgrund dieser Erkenntnisse raten Nowaczewska et al., dass ärztliche Fachkräfte Betroffenen mit Migräne nicht implizit empfehlen sollten, Schokolade zu meiden.5
Weitere Migränetrigger: Stress, Schlafmangel & Co.
Migräne kann durch viele unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden. In einer Befragung von 1.207 Betroffenen zeigten sich folgende Häufigkeiten für bestimmte Trigger:1
- Stress (80 %)
- Hormonelle Einflüsse (bei Frauen; 65 %)
- Auslassen von Mahlzeiten (57 %)
- Wetter (53 %)
- Schlafstörungen (50 %)
- Parfüm und Gerüche (44 %)
- Licht (38 %)
- Nackenschmerzen (38 %)
- Alkoholische Getränke, z. B. Rotwein (38 %)
- Rauch (36 %)
- Morgens lange schlafen (32 %)
- Hitze (30 %)
- Unterschiedliche Nahrungsmittel (27 %): z. B. Käse, Zitrusfrüchte, Nüsse, verarbeitete Fleischsorten, Aspartam und Kaffee5
- Körperliche Aktivität (22 %)
- Sexuelle Aktivität (5 %)
Des Weiteren treten geschlechterbezogene Unterschiede in der Prävalenz von Trigger-Faktoren auf. In einer aktuellen Querschnittsstudie waren die häufigsten Auslöser bei Frauen die Menstruation (78 %), Stress (77 %) und helles Licht (69 %), während bei Männern Stress (69 %), helles Licht (63 %) und Schlafentzug (60 %) am prävalentesten waren.17
Im Rahmen der Migräne-Prophylaxe versuchen viele Betroffene, durch eine Diät mögliche Auslösefaktoren zu vermeiden. Allerdings könnte gerade das zum häufigsten Trigger Stress führen: Z. B. wenn die Ernährungsumstellung zu einschränkend ist oder die Patientinnen oder Patienten es nicht schaffen, auf die Nahrungsmittel zu verzichten. Daher sind neben der medikamentösen Migränetherapie bevorzugt nicht medikamentöse Verfahren zur Prophylaxe wie z. B. Ausdauersport, Entspannungsverfahren und regelmäßige Mahlzeiten zu empfehlen.8