Tiefe Hirnstimulation (Deep Brain Stimulation, DBS) wird häufig und erfolgreich zur Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson eingesetzt. Das weckt Hoffnungen, diese Therapie auch bei psychiatrischen Störungen einzusetzen. Ein naheliegender Kandidat dafür ist die behandlungsresistente Schizophrenie, doch es sind noch wichtige Fragen offen.
Tiefe Hirnstimulation (Deep Brain Stimulation, DBS) wird häufig und erfolgreich zur Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson eingesetzt. Das weckt Hoffnungen, diese Therapie in Zukunft auch bei psychiatrischen Störungen einzusetzen. Ein naheliegender Kandidat dafür ist die behandlungsresistente Schizophrenie, doch sind noch wichtige Fragen offen: Welches Areal soll angesteuert werden? Ist eine informierte Einwilligung des Patienten möglich? Ist die Zusammenarbeit beim Langzeit-Follow-Up gegeben?
Diese Fragen und erste Resultate aus klinischen Versuchsreihen zu DBS bei Schizophrenie wurden am virtuellen ECNP-Kongress 2020 diskutiert.
Tiefe Hirnstimulation (DBS) wird immer häufiger bei psychiatrischen Störungen wie Zwangsstörungen (obsessive-compulsive Disorder, OCD) oder schwerer klinischer Depression eingesetzt. Schizophrenie ist eine schwerwiegende Störung, bei der etwa 30% der Patienten resistent gegenüber der Behandlung mit Antipsychotika sind1.
Wie funktioniert DBS?
Mittels stereotaktischer Chirurgie werden dem Patienten Elektroden in das Gehirn implantiert und mit einem Pulsgenerator verbunden, der unter der Haut platziert wird. Dieser ist so programmiert, dass er eine hochfrequente elektrische Stimulation liefert, die eine funktionelle Inhibition in einer Sphäre rund um die Elektrode bewirkt. Lokale und entfernte anregende Wirkungen könnten auch eine Rolle spielen.
Ethische Bedenken
Judith Gault (University of Colorado, USA), diskutierte die ethischen Fragen einer solchen Behandlung2 wie beispielsweise die Fähigkeit einer informierten Einwilligung (informed consent) des Patienten, den Nutzen der Behandlung (0.6% Mortalität bei unbekannter Ansprechrate) und Fragen der Gerechtigkeit. Damiaan Denys (Universität Amsterdam, Niederlande) verortete die grundlegenden ethischen Fragen bei der Dehumanisierung (ist man mit Gehirnimplantaten immer noch «menschlich»?), der Depersonalisierung (verändert DBS eine Person?) und der Devoluntarisierung (gibt es noch einen freien Willen?).
Wie entscheiden?
Prof. Denys stellte die Bedingungen vor, die für den Einsatz einer DBS gegeben sein müssten. Dazu gehören eine identifizierbare anatomische Dysfunktion, ein schwerer und therapierefraktärer Zustand des Patienten und das Verbesserungspotential durch die Behandlung. Er kam zum Schluss, dass behandlungsresistente Schizophrenie-Fälle den Einsatz von DBS rechtfertigen würden. Zu den offenen Fragen gehören aber das Fehlen einer eindeutigen, zugrundeliegenden Hirnanomalie und die Notwendigkeit hoch motivierter Patienten.
Wo sind mögliche anatomische Ansatzpunkte?
Peter McKenna (FIDMAG, Barcelona, Spanien) diskutierte die Auswahl möglicher Gehirnbereiche für die Platzierung der Elektroden anhand eines theoretischen (Anzeichen lokalisierter Abnormalität) und eines pragmatischen Ansatzes (Verwendung von DBS bei anderen psychiatrischen Erkrankungen). Er schlug eine Fokussierung auf hemmende Effekte vor, indem man Regionen exzessiver Dopaminproduktion ansteuert (wie beispielsweise die Basalganglien und das ventrale tegmentale Areal) oder auf Regulationsfehler im medialen präfrontalen Cortex abzielt3.
Klinische Evidenz
Bislang sind nur wenige relevante klinische Daten zu DBS bei Schizophrenie-Patienten vorhanden. Die Toronto-Studie (NCT01725334) wurde aufgrund von Rekrutierungsproblemen gestoppt, die Baltimore-Studie (NCT02361554) läuft aktuell noch. Wang et al. veröffentlichten eine Studie mit 2 Patienten, welche eine DBS erhielten, die an der Habenula ansetzt4. Bei beiden zeigte sich eine initiale Symptomverbesserung, die nur bei einem Patienten bis zum 12-Monat Follow-Up anhielt, während sich die Symptome beim anderen verschlechterten.
Illuminada Carropio (St Pau Hospital, Barcelona, Spanien) präsentierte die Resultate aus ihrer Versuchsreihe bei acht Patienten mit medikamentenresistenten positiven Symptomen5. Die DBS setzte im Nucleus accumbens (n=4) oder im anterioren cingulären Cortex an (n=4). Sieben Patienten schlossen die Stabilisierungsphase ab, bei einem Patienten war aufgrund chirurgischer Komplikationen keine DBS möglich. Vier der sieben Patienten erfüllten die Kriterien für eine symptomatische Verbesserung und drei traten in die doppelblinde Crossover-Versuchsreihe ein. Dabei zeigte sich eine Symptomverschlechterung, als die DBS gestoppt wurde. Zwei Patienten entwickelten persistente psychiatrische Nebenwirkungen (Negative Symptome /Apathie und Stimmungsinstabilität).
Die Zukunft
Die Referenten zeigten sich einig, dass die DBS eine vielversprechende Therapie für Patienten mit therapieresistenter Schizophrenie sein könnte. Es sind grössere Versuchsreihen und weitere Arbeiten nötig, um geeignete Ansatzpunkte für die DBS zu bestimmen und die Patientenselektion zu verbessern.
Die Highlights des Symposiums, die unser Korrespondent hier zusammenfasst, sollen die präsentierten wissenschaftlichen Inhalte objektiv wiedergeben. Die auf dieser Seite geäusserten Ansichten und Meinungen stimmen nicht unbedingt mit denen von Lundbeck überein.