Klar denken mit Schizophrenie

Die Auswirkungen kognitiver Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit Schizophrenie (engl. „cognitive impairment associated with schizophrenia“, CIAS) sind weitreichend und beeinträchtigen die Lebensqualität von Patienten, Betreuern und Familienmitgliedern. Dies ist ein großes Hindernis auf dem Weg zur Recovery. Dieses Symposium des ECNP 2021 befasste sich mit den wichtigen Vorteilen, die eine Verbesserung der kognitiven Funktion haben könnte, sowie mit aktuellen und zukünftigen Behandlungsmöglichkeiten.

Vorteile der Verbesserung von kognitiven Beeinträchtigungen

Martine Frager Berlet (Mitglied der UNAFAM, Frankreich) eröffnete die Sitzung, indem sie die Realität des Lebens mit CIAS aus erster Hand beschrieb. Sie ist Mitglied einer französischen Organisation, die Familien und Freunde von Menschen mit psychischen Erkrankungen unterstützt.

Ihr Wunsch ist es, dass die Verbesserung der kognitiven Funktionsfähigkeit das Leben der Patienten verbessert:

  • Angepasstes Verhalten – verbessertes Verständnis für die Hilfsversuche der Familie/Freunde, Ausdruck ihrer Gefühle sowie Vorfreude und Planung
  • Annehmen von Hilfe
  • Abschließen von Aufgaben
  • Bessere Erkenntnisse

Hindernisse für den Eine Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten kann die Wahrscheinlichkeit der Wiederherstellung der sozialen Funktionsfähigkeit erhöhen

Ihrer Erfahrung nach kann die Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten das Selbstbewusstsein der Patienten und deren Kontrolle über ihre Gefühle verbessern. Dies reduziert die Stigmatisierung, fördert die soziale Inklusion und steigert die Wahrscheinlichkeit der Wiederherstellung der sozialen Funktionsfähigkeit. Sie betonte, wie wichtig es ist, die therapeutische Allianz zwischen Patienten, Betreuern und medizinischen Fachkräften zu stärken, um diese Ziele zu erreichen.

Umgang mit kognitiven Beeinträchtigungen in der klinischen Praxis

Dr. Nagore Penades (NHS Greater Glasgow and Clyde, Großbritannien) erläuterte aus ihrer Sicht als Fachärztin für Psychiatrie, wie man in der klinischen Praxis am besten mit CIAS umgeht. Dies umfasst die Bewertung der funktionellen Auswirkungen sowie die Identifizierung und Behandlung von Symptomen.

85 % der Patienten mit Schizophrenie weisen spezifische kognitive Defizite auf

Negativsymptome bei Schizophrenie tragen stärker zur Beeinträchtigung der Lebensqualität und zur schlechten Funktionsfähigkeit bei als Positivsymptome1. Negativsymptome treten bei mindestens einem Fünftel der Patienten mit Schizophrenie auf1 und bis zu 85 % der Patienten mit Schizophrenie weisen spezifische kognitive Defizite auf.2 Somit reicht es nicht aus, nur die Positivsymptome zu behandeln.

Die meisten typischen und atypischen Antipsychotika zeigen eine begrenzte Wirksamkeit bei der Behandlung von Negativsymptomen und kognitiven Symptomen.3 Dr. Penades meinte, dass es nicht die eine magische Behandlung geben wird, sondern dass verschiedene therapeutische Elemente kombiniert werden müssen und dass nicht-pharmakologische Ansätze nicht vergessen werden sollten.4

Die soziale Funktionsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Person, sich an ihr soziales Umfeld und dessen Anforderungen anzupassen.5 Für eine gute Funktionsfähigkeit benötigt ein Mensch eine gute Kognition, einschl. Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und exekutive Funktionen6, sowie Möglichkeiten zum Üben. Sie ermutigte medizinische Fachkräfte dazu, die kognitiven Fähigkeiten und die Funktionsfähigkeit zu beurteilen, sowohl bei der Erstuntersuchung als auch bei den Nachuntersuchungen. Die Bewertungsinstrumente umfassen die SCoRS (Schizophrenia Cognition Rating Scale)7.

Unterschiedliche pharmakologische Behandlungen wirken sich auf verschiedene Aspekte der Kognition und Funktionsfähigkeit aus und das Nebenwirkungsprofil sollte für den jeweiligen Patienten berücksichtigt werden

Unterschiedliche pharmakologische Behandlungen wirken sich auf verschiedene Aspekte der Kognition und Funktionsfähigkeit aus und das Nebenwirkungsprofil sollte für den jeweiligen Patienten berücksichtigt werden.8 Die von Dr. Penades vorgeschlagene Strategie beinhaltet, jedes Problem einzeln anzugehen, ohne dabei den Patienten als Ganzes zu vergessen, und die Ausgangssituation zu bewerten, da die Fähigkeiten, das Potenzial und die Wünsche eines jeden Menschen unterschiedlich sind.

Aktuelle und zukünftige Behandlungsoptionen

Prof. Philip Harvey (University of Miami Miller School of Medicine, USA) präsentiert zum Abschluss aktuelle und neue Behandlungsoptionen. Der pharmakologische Ansatz hat mehrere Strategien und Mechanismen getestet, darunter Nikotinagonisten9, 10, Ampakine10 und Cholinesterasehemmer10, aber viele versagen nach Phase II. Die Ergebnisse eines neuartigen Glycin-Transporter-Inhibitors sind vielversprechend11, aber es gibt noch viel zu tun auf der Suche nach einer wirksamen pharmakologischen Behandlung für CIAS-Patienten.

Pharmakologisch unterstütztes kognitives Training hat sich als nützlich erwiesen, wenn pharmakologische Wirkstoffe in Kombination mit kognitivem Training eingesetzt werden

Prof. Harvey beschrieb, wie Metaanalysen zu kognitivem Training und Kompetenztraining eindeutige Nachweise für die Wirksamkeit erbracht haben.12, 13 Funktionelle Veränderungen erfordern die Ergänzung des kognitiven Trainings durch ein gezieltes Funktionstraining.13 Pharmakologisch unterstütztes kognitives Training (engl. „pharmacologically augmented cognitive training“, PACT) hat sich als nützlich erwiesen, wenn pharmakologische Wirkstoffe in Kombination mit kognitivem Training eingesetzt werden.14, 15 Dies kann die Aktivität verstärken oder die Plastizität15 fördern. Lang wirkende Injektionspräparate zeigen einen größeren Nutzen als oral einzunehmende Medikamente.16

Eine künftige Herausforderung besteht darin, dass die Selbsteinschätzungen der kognitiven und funktionellen Fähigkeiten nicht gut mit den Einschätzungen der Beobachter korrelieren.17 Er schlug vor, dass technologiebezogene Lösungen hilfreich sein könnten, um bessere Ergebnisdaten zu erhalten. Die sofortige Erfassung von klinischen Symptomen mithilfe einer kurzzeitigen Beurteilung hat potenzielle Vorteile gegenüber klinischen Beurteilungen, einschließlich der Vermeidung von Erinnerungsfehlern.18

Finanzielle Bildungsförderung für dieses Satellitensymposium erfolgte durch Boehringer Ingelheim.

Referenzen

  1.  Tsapakis EM, et al. Clinical management of negative symptoms of schizophrenia: An update. Pharmacol Ther 2015;153:135-47.
  2. Sheffield JM, et al. Cognitive Deficits in Psychotic Disorders: A Lifespan Perspective. Neuropsychol Rev 2018;28(4):509-33.
  3. Sinkeviciute I, et al. Efficacy of different types of cognitive enhancers for patients with schizophrenia: a meta-analysis. NPJ Schizophr 2018;4(1):22.
  4. Stevović LI, et al. Non-pharmacological treatments for schizophrenia in Southeast Europe: An expert survey. Int J Soc Psychiatry 2021;207640211023072. doi: 10.1177/00207640211023072. Online ahead of print.
  5. Javed A, Charles A. The Importance of Social Cognition in Improving Functional Outcomes in Schizophrenia. Front Psychiatry 2018;9:157.
  6. Bowie CR, Harvey PD. Cognitive deficits and functional outcome in schizophrenia. Neuropsychiatr Dis Treat 2006;2(4):531-6.
  7. Keefe RSE, et al. Reliability, validity and treatment sensitivity of the Schizophrenia Cognition Rating Scale. Eur Neuropsychopharmacol 2015;25(2):176-84.
  8. Baldez DP, et al. The effect of antipsychotics on the cognitive performance of individuals with psychotic disorders: Network meta-analyses of randomized controlled trials. Neurosci Biobehav Rev 2021;126:265-75.
  9. Recio-Barbero M, et al. Cognitive Enhancers in Schizophrenia: A Systematic Review and Meta-Analysis of Alpha-7 Nicotinic Acetylcholine Receptor Agonists for Cognitive Deficits and Negative Symptoms. Front Psychiatry 2021;12:631589.
  10. Sinkeviciute I, et al. Efficacy of different types of cognitive enhancers for patients with schizophrenia: a meta-analysis. NPJ Schizophr 2018;4(1):22.
  11. Fleischhacker WW, et al. Efficacy and safety of the novel glycine transporter inhibitor BI 425809 once daily in patients with schizophrenia: a double-blind, randomised, placebo-controlled phase 2 study. Lancet Psychiatry 2021;8(3):191-201.
  12. Turner DT, et al. A Meta-Analysis of Social Skills Training and Related Interventions for Psychosis. Schizophr Bull 2018;44(3):475-91.
  13. Harvey PD, et al. Evaluation of the Efficacy of BI 425809 Pharmacotherapy in Patients with Schizophrenia Receiving Computerized Cognitive Training: Methodology for a Double-blind, Randomized, Parallel-group Trial. Clin Drug Investig 2020;40(4):377-85.
  14. Swerdlow NR, et al. Amphetamine Enhances Gains in Auditory Discrimination Training in Adult Schizophrenia Patients. Schizophr Bull 2017;43(4):872-80.
  15. Harvey PD, Sand M. Pharmacological Augmentation of Psychosocial and Remediation Training Efforts in Schizophrenia. Front Psychiatry 2017;8:177.
  16. Zhornitsky S, Stip E. Oral versus Long-Acting Injectable Antipsychotics in the Treatment of Schizophrenia and Special Populations at Risk for Treatment Nonadherence: A Systematic Review. Schizophr Res Treatment 2012;2012:407171.
  17. Gould F, et al. Self-assessment in schizophrenia: Accuracy of evaluation of cognition and everyday functioning. Neuropsychology 2015;29(5):675-82.
  18. Harvey PD, et al. Capturing Clinical Symptoms with Ecological Momentary Assessment: Convergence of Momentary Reports of Psychotic and Mood Symptoms with Diagnoses and Standard Clinical Assessments. Innov Clin Neurosci 2021;18(1-3):24-30.