Keine andere Therapieoption in der Psychiatrie leidet unter so einem schlechten öffentlichen Image wie die Elektrokonvulsionstherapie (EKT). Demgegenüber steht die hohe Wirksamkeit und Sicherheit dieses Therapieverfahrens.1,2 Dabei ist die EKT vor allem für ihren Einsatz bei PatientInnen mit therapieresistenten und schweren depressiven Störungen bekannt. Interessanterweise wurde die EKT in den Anfängen für die Behandlung der Schizophrenie eingesetzt, auch wenn sie heute primär zunächst mit der Depression in Verbindung gebracht wird: Mit dem Aufkommen der Antipsychotika wurde ihr Einsatz jedoch in diesem Bereich im Laufe der Jahre eingeschränkt.3 So wird die EKT in der aktuellen S3-Leitlinie Schizophrenie nur bei PatientInnen mit Schizophrenie empfohlen, die trotz einer adäquaten Therapie in ausreichender Dosis und Zeitdauer eine medikamentöse Behandlungsresistenz aufweisen.1 Doch wie wirkt eigentlich die EKT bei Schizophrenie? Und könnte die EKT auch bereits im Anfangsstadium einer Schizophrenie hilfreich sein? Einen kleinen Überblick zur aktuellen Evidenzlage finden Sie hier…
Die EKT beruht vor allem darauf, dass in Narkose und unter Muskelrelaxation durch eine kurze elektrische Reizung des Gehirns ein generalisierter epileptischer Anfall ausgelöst wird. Bisherigen Kenntnissen zufolge werden dadurch neurochemische Veränderungen verschiedener Neurotransmittersysteme sowie neurotrophe Effekte in Gang gesetzt. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass die EKT volumetrische Veränderungen in der grauen Substanz induziert.4 Obwohl der Wirkmechanismus noch nicht vollständig entschlüsselt werden konnte, ist der Nutzen der EKT unumstritten. Bei Schizophrenie wird die EKT aktuell bei eindeutiger medikamentöser Behandlungsresistenz nach adäquater Therapie in ausreichender Dosis und Zeitdauer empfohlen. Offen ist jedoch, ob auch PatientInnen mit einer psychotischen Erstepisode in der Jugend bzw. im frühen Erwachsenenalter von dieser Therapiemaßnahme profitieren könnten.
Mit dieser Frage beschäftigte sich unter anderem eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit, die die verfügbaren Studiendaten zur EKT bei Schizophrenie zusammenträgt.3 Dabei ergaben sich Hinweise darauf, dass eine EKT bei PatientInnen mit einer psychotischen Erstepisode hilfreich sein kann, insbesondere wenn sie mit ausgeprägter Erregung, Überaktivität und schweren positiven Symptomen einhergeht. Eine Auswahl der berücksichtigten Studien finden Sie im Folgenden:
Sarkar P et al. 19945
- Doppelblinde, prospektive Studie aus Indien bei 30 nicht vorbehandelten PatientInnen mit einer psychotischen Erstepisode, die in zwei Gruppen eingeteilt wurden: „Echte“ EKT vs. „Schein-EKT“
- Bei der „echten“ EKT wurden sechs bilaterale Behandlungen mit Sinuswellen durchgeführt abwechselnd an drei Tagen pro Woche mit einer festen Dosis von Haloperidol 15 mg/Tag. Die andere Gruppe erhielt ebenfalls Haloperidol 15 mg/Tag zusammen mit der „Schein-EKT“
- Die Anwendung der „echten“ EKT führte zwar in den ersten 3 Wochen zu einer Verbesserung der Symptomatik, jedoch war der Unterschied nach 6 Monaten nicht signifikant
Zhang ZJ et al. 20126
- Fall-Kontroll-Studie aus China bei 112 jugendlichen PatientInnen mit psychotischer Erstepisode
- 74 TeilnehmerInnen wurden mit EKT und Antipsychotika behandelt, 38 TeilnehmerInnen nur mit Antipsychotika (Vergleichsgruppe)
- In der Gruppe mit der Kombination EKT und Antipsychotika kam es zu einer signifikanten Verkürzung der Hospitalisierungsdauer und zu einer höheren kumulativen Ansprechrate. Zudem wurde bei ihnen eine stärkere Verbesserung der Schlafeffizienz, der schnellen Augenbewegungslatenz sowie der Schlafdichte festgestellt.
Adhikari S et al. 20147
- Prospektive Open-Label-Studie aus Nepal bei 45 PatientInnen mit psychotischer Erstepisode
- 12 TeilnehmerInnen wurden mit EKT und Antipsychotika behandelt, während 33 TeilnehmerInnen nur Antipsychotika erhielten.
- In der ersten Gruppe zeigte sich eine kürzere Dauer der Hospitalisierung sowie eine signifikante Verbesserung der psychopathologischen Symptomatik (BPRS) und der Funktionalität (GAF) nach der EKT im 1., 6. und 12. Monat nach der Entlassung
Suzuki K et al. 20068
- Fallserie bei 7 PatientInnen mit hartnäckiger psychotischer Erstepisode (kein Ansprechen auf Antipsychotika)
- Die EKT führte zu einer signifikanten Verbesserung der psychopathologischen Symptomatik (BPRS) und der Funktionalität (GAF) bei gleichzeitigem Fehlen von unterwünschten Nebenwirkungen
Bei der Einordnung der Studiendaten muss jedoch beachtet werden, dass von den zugrundeliegenden Studien nur eine randomisiert und doppelt verblindet ist, während es sich bei den anderen um Open-Label- und Fall-Kontroll-Studien handelt. Die verfügbaren Daten zeigen jedoch, dass es sich lohnt, weiterhin zu diesem Thema zu forschen. Dabei bedarf es zusätzlicher, möglichst groß angelegter Studien (idealerweise randomisierte kontrollierte Studien) um die Wirksamkeit von EKT bei PatientInnen mit einer psychotischen Erstepisode zu prüfen.