In der Vergangenheit war die Definition von psychischen Erkrankungen diagnoseorientiert, wobei eine erfolgreiche Behandlung als „Nichtvorhandensein von Krankheit“ definiert wurde1. Dies verschiebt sich hin zu einer personenzentrierten Definition. Die Behandlungsziele müssen eine positive psychologische Funktion umfassen1, da das Fehlen einer psychischen Belastung das Vorhandensein von psychischem Wohlbefinden nicht garantiert. Dieses ECNP 2021-Symposium ermutigte Kliniker, über die Symptomkontrolle hinaus zu denken, um das Engagement und die Belastbarkeit der Patienten zu verbessern und dabei funktionelle, von Patienten berichtete Outcomes zu verwenden.
Erfolgreiche Festlegung von Behandlungszielen
Melissa Paulita Mariano (University of the East Ramon Magsaysay Memorial Medical Center, Quezon City, Philippinen) leitete die Session ein, indem sie die Bedeutung der Festlegung von Behandlungszielen betonte. Dies identifiziert Prioritäten, steigert die Motivation der Patienten, fördert die Eigenverantwortung der Patienten für den Genesungsprozess und führt zu gezielten Bemühungen2. Erfolgreiche Zielsetzungen sollten kollaborativ sein und als aktiver Prozess zwischen Kliniker und Patient überdacht und angepasst werden2,3.
Eine verbesserte Kommunikation ist unerlässlich, da sich die Behandlungsziele von Patienten und medizinischem Fachpersonal unterscheiden können
Eine verbesserte Kommunikation ist unerlässlich, da die Behandlungsziele von Patienten und medizinischem Fachpersonal (healthcare professionals, HCPs) unterschiedlich sein können. Eine Studie zur schweren depressiven Störung (MDD)4 zeigte, dass das häufigste Ziel der akuten Primärbehandlung von Patienten (29 %) und HCPs (53 %) darin bestand, die Stimmung zu heben, dass die Patienten jedoch auch die Rückkehr ins soziale Umfeld (21 %), Familienleben (20 %) oder Arbeitsleben (14 %) und weniger unerwünschte Wirkungen (16 %) für wichtig hielten, während nur 1 % der HCPs weniger unerwünschte Wirkungen als primäres Behandlungsziel ansahen. In ähnlicher Weise umfassen die Behandlungsziele der Patienten bei Schizophrenie mehr als nur die Symptomkontrolle – zu den häufig genannten Zielen gehörte auch, klar denken zu können und Krankenhausaufenthalte zu reduzieren5. HCPs unterschätzen die Bedeutung der Wiederaufnahme von Aktivitäten des täglichen Lebens, eine verbesserte Zufriedenheit und eine wiedererlangte Arbeitsfähigkeit6.
Die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit bleibt ein unerfülltes Bedürfnis
Wir keine Symptomremission erreicht, hat dies erhebliche Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Patienten
Roueen Rafeyan (Fienberg School of Medicine, Chicago, USA) diskutierte, wie die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit sowohl bei MDD als auch bei Schizophrenie ein ungedeckter Bedarf bleibt. Die STAR*D-Studie7 zeigte, dass bei etwa einem Drittel der Patienten nach mehreren Behandlungsschritten keine Symptomremission erreicht wurde, was einen signifikanten Einfluss auf die Funktionsfähigkeit des Patienten hat8. In einer groß angelegten Metaanalyse zu Antipsychotika übertrafen nicht alle Medikamente das Placebo in Bezug auf soziale Funktionsfähigkeit9.
Einführung in das Lebensengagement der Patienten
Vor diesem Hintergrund wird die Notwendigkeit von Behandlungen anerkannt, die Vorteile über die Symptomkontrolle hinaus bieten10. Lebensengagement der Patienten11 bezieht sich auf positive gesundheitliche Aspekte in Bezug auf Kognition, Vitalität, Motivation und Belohnung sowie die Fähigkeit, Freude zu empfinden – Outcomes, die für Patienten wichtig sind. Dr. Rafeyan betonte, dass die Kombination von messbasierter Versorgung mit den Aussagen der Patienten der Schlüssel zum Verständnis der vollen Auswirkungen einer Erkrankung ist.
Von Patienten berichtete Outcomes (patient-reported outcomes; PROs), die für Patienten aussagekräftige Domänen erfassen, werden in der messbasierten Versorgung benötigt
Um dies zu erreichen, sind geeignete Bewertungsinstrumente erforderlich, die die Aussagen der Patienten adäquat widergeben können12. Diese sollten kognitive, soziale, physische und emotionale Aspekte abdecken. Ein Vorschlag ist die zunehmende Verwendung von Patienten berichteten Outcomes (PROs)13. Für das Lebensengagement der Patienten ist es erforderlich, dass PROs Domänen erfassen, die für Patienten von Bedeutung sind, und nicht nur Symptome, die auf beobachterbezogenen Skalen bewertet werden.
Von Ansprechen hin zu Genesung und Resilienz
Greg Mattingly (Washington University School of Medicine, St. Louis, USA) beschrieb, wie sich das Behandlungsziel verändert:
- Ansprechen – viele Symptome bleiben
- Remission – Symptome meist gelindert, einige bleiben jedoch bestehen
- Genesung – wenige/keine Symptome, verbesserte Funktionsfähigkeit und Lebensqualität
- Resilienz
Resilienz ist entscheidend für die Förderung der Gesundheit sowie die Prävention und Behandlung von psychischen Gesundheitsproblemen
Resilienz ist von entscheidender Bedeutung für die Förderung der Gesundheit sowie die Prävention und Behandlung von psychischen Gesundheitsproblemen14. Die Förderung der Resilienz umfasst grundlegende Strategien wie angemessene Ernährung, Schlaf und körperliche Aktivität, kombiniert mit zusätzlichen Strategien wie Achtsamkeitstraining und Pharmakotherapie15. Die gezielte Ausrichtung auf neuronale Systeme, die an der Emotions- und Stressregulation, kognitiven Prozessen und sozialen Verhaltensweisen beteiligt sind, kann letztendlich die neurobiologischen Veränderungen bewirken, die das Verhalten bestimmen15. Aus einer ganzheitlichen Sicht ist es für die gemeinsame Entscheidungsfindung bei der Behandlung von entscheidender Bedeutung, Patienten dabei zu helfen, Resilienz zu erlangen und sich mit ihrem Leben zu beschäftigen.
Nutzung von Patienten berichteter Outcomes zur Messung des Lebensengagements
Das Lebensengagement ist ein messbares Outcome, das sich nach der Behandlung verbessern kann
Prof. Mattingly diskutierte 10 ausgewählte Punkte des IDS-SR (Inventory of Depressive Symptomatology – self-report, IDS-SR10), einer auf von Patienten berichteten Outcomes beruhenden Maßnahme, die untersucht wurde, um Elemente des Lebensengagements über die Hauptsymptome der Depression hinaus zu erfassen16. Es kann sich lohnen, den IDS-SR10 bei anderen Krankheitszuständen als MDD zu untersuchen. Frühe Studien deuten darauf hin, dass das Lebensengagement der Patienten ein messbares Outcome ist, das sich nach der Behandlung verbessern kann16.
Alle Referenten waren sich einig, dass bei MDD und Schizophrenie ein ganzheitlicher Ansatz für die patientenzentrierte Versorgung erforderlich ist. Das neue Konzept des „Lebensengagements der Patienten“, das bedeutsame Behandlungsergebnisse für die Patienten widerspiegelt, ist ebenfalls messbar, was HCPs helfen kann, Patientenperspektiven in die Entwicklung einer Behandlungsstrategie einzubeziehen.
Finanzielle Bildungsförderung für dieses Satellitensymposium erfolgte durch Otsuka/Lundbeck.