„Funktionsstatus“ ist ein weiter Begriff und umfasst die Fähigkeit des Menschen, die normalen Aktivitäten des täglichen Lebens durchzuführen, um seine Grundbedürfnisse zu erfüllen, seine gewohnten Aufgaben zu erfüllen sowie seine Gesundheit und Wohlbefinden zu erhalten. Defizite beim psychosozialen Funktionsstatus gehören zu den Kernsymptomen der Schizophrenie. Studien zeigen bei rund zwei Drittel (63%) der schizophrenen Patienten eine klinisch manifeste Dysfunktion, die ihre Fähigkeiten in der sozialen Teilhabe teilweise schwer beeinträchtigen kann1; bei 32% der Patienten war die Fähigkeit zur Selbstfürsorge/eigenständigen Lebensführung reduziert.1 Die Beschäftigungsrate (Voll- oder Teilzeit) beträgt für diese Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (80%) teilweise nur 10%.2 Diese Befunde unterstreichen die prioritäre Bedeutung einer funktionellen Besserung über ein breites Spektrum von Fähigkeiten bei der Behandlung schizophrener Patienten.
„Wird der Verbesserung des Funktionsstatus schizophrener Patienten immer noch zu wenig Priorität eingeräumt?“ fragte Prof. Diane McIntosh (University of British Columbia, Vancouver, Kanada) zu Beginn einer Sitzung auf dem ECNP 2018 in Barcelona.
Wird der Verbesserung des Funktionsstatus schizophrener Patienten immer noch zu wenig Priorität eingeräumt?
Die Mehrheit schizophrener Patienten erlebt wiederkehrende Rückfälle, die mit dem weiteren Fortschreiten der Erkrankung zu einer Verschlechterung des Funktionsstatus führen können. Umgekehrt ist das Erreichen einer symptomatischen Remission nach einem Rückfall mit einem signifikant besseren sozialen Funktionsstatus und Lebensqualität verbunden3. Offenbar ist die Symptomatik nicht die einzige Ursache funktioneller Beeinträchtigungen. Prof. McIntosh beschrieb weitere Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Dazu gehören Nebenwirkungen von Medikamenten, die kognitive Leistungsfähigkeit sowie die physische Gesundheit4.
Wird Funktionsfähigkeit bei der Behandlung von Schizophrenie hinreichend anerkannt?
Das Bewusstsein wächst, dass Patienten und ihre Familien einen besseren sozialen und beruflichen Funktionsstatus als möglicherweise wichtigstes Behandlungsziel betrachten5. Obwohl neue Behandlungsrichtlinien die Optimierung der adaptiven Funktionsfähigkeit und der Lebensqualität sowie die Förderung und Erhaltung der erreichten Verbesserungen als wichtige Ziele anerkennen6,7, stellt sich die Frage, wie viele Patienten diese Ziele tatsächlich erreichen.
Nur 30% der Patienten erzielen einen adäquaten Funktionsstatus
Studien zeigen, dass 92% der Ärzte bewusst ist, dass der soziale Funktionsstatus ein wesentliches Behandlungsziel ihrer Patienten ist. Sie erkennen jedoch auch, dass nur 30% der Patienten einen adäquaten Funktionsstatus erreichen9. In einer Umfrage unter Psychiatern war der wichtigste Indikator/Prädiktor für den Erfolg einer antipsychotischen Behandlung deren Wirksamkeit gegen Positiv- und Negativsymptome. Gleichzeitig wurde die Bedeutung der Beurteilung der Verbesserung des Funktionsstatus und der kognitiven Leistungsfähigkeit erheblich geringer eingestuft9.
Wie die Patienten die Folgen von Antipsychotika-Nebenwirkungen beurteilen
Die Wahl der geeigneten Behandlung erfolgt aufgrund der für Arzt und Patient besonders wichtigen Zielsymptome. Prof. Rajiv Tandon, University of Florida College of Medicine, USA, unterstrich jedoch auch die Notwendigkeit, zu berücksichtigen, wie Nebenwirkungen die Verbesserung des Funktionsstatus als wichtigem Patienten-relevantem Endpunkt beeinflussen.
Berücksichtigen Sie, wie Nebenwirkungen die Verbesserung des Funktionsstatus als wichtigem Patienten-relevantem Endpunkt beeinflussen
Therapie-assoziierte Nebenwirkungen können für den Patienten eine erhebliche Belastung darstellen. Prof. Tandon erläuterte die Ergebnisse einer Studie, in der 77% der schizophrenen Patienten über Nebenwirkungen berichteten. Diese beeinträchtigten die Alltagsfunktion in 61% der Fälle leichtgradig; 30% der Patienten klagten über mäßige bis starke Beeinträchtigungen1. Bereits eine kleine Änderung des Funktionsstatus kann erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität haben und langfristig zu chronischen Gesundheitsproblemen beitragen10,11.
Eine neuere Studie untersuchte die funktionellen und emotionalen Folgen von Antipsychotika-assoziierten Nebenwirkungen aus Sicht der behandelten schizophrenen Patienten. Sie zeigte, dass nur 30-40% der Patienten ihre Therapiezufriedenheit, gemessen u.a. anhand des Funktionsstatus im Alltag, in der Familie und ihrem sozialen Umfeld sowie am Arbeitsplatz, mit „sehr gut“ oder „gut“ bewerteten12,13. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Schlafstörungen, trockener Mund und Restless Legs-Syndrome, die bei über 50% der Patienten im Studienverlauf mehrmals auftraten und bei 15-20% täglich. Unerwünschte sedierende Effekte wirkten sich am häufigsten negativ auf den Funktionsstatus aus, gefolgt von aktivierenden Nebenwirkungen.
Potenzieller Stellenwert von Dopamin-D2-Partialagonisten
Die meisten Antipsychotika der zweiten Generation sind Serotonin-Dopamin-Antagonisten, binden aber auch an eine Reihe weiterer Rezeptoren. Dies kann sowohl zu positiven als auch unerwünschten Effekten führen. Prof. David Taylor, South London and Maudsley NHS Foundation Trust, London, Großbritannien, erörterte, warum eine Blockade am Dopamin-D2-Rezeptor wichtig ist, um die mesolimbische Hyperaktivität zu reduzieren und damit die Positivsymptome der Schizophrenie zu verringern. Andere Symptome werden dadurch jedoch möglicherweise nicht ausreichend verringert, darüber hinaus können extrapyramidalmotorische Nebenwirkungen (EPMS) auftreten. Daher könnte ein Antipsychotikum mit einer partiell agonistischen Wirkung am Dopamin-D2-Rezeptor besser ein Gleichgewicht zwischen Symptomkontrolle und Nebenwirkungen erreichen als ausschliesslich antagonistisch wirksames Antipsychotikum.
Ein partieller Agonismus am Dopamin-D2-Rezeptor kann dazu beitragen, ein Gleichgewicht zwischen Symptomkontrolle und Nebenwirkungen zu erreichen
Prof. Gregory Mattingly, Washington University School of Medicine, St Louis, USA, und Prof. Christopher Correll, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Deutschland und The Donald and Barbara Zucker School of Medicine in Hofstra/Northwell, USA und The Zucker Hillside Hospital, New York, USA, präsentierten im Anschluss die kurz- und langfristigen Vorteile der Wirkstoffklasse der Dopamin-D2-Partialagonisten. Sie sind effizient und verringern gleichzeitig die negativen Effekte eines reines Dopamin-D2-Antagonismus und erhalten oder verbessern dadurch den Funktionsstatus14.
Eine komplette Recovery erreichen
Um eine komplette Recovery, d.h. eine symptomatische und funktionelle Remission zu erreichen, sollte eine medikamentöse Behandlung immer im Rahmen eines individuellen Therapieplans zusammen mit einer Reihe unterschiedlicher nicht-medikamentöser Interventionen sowie Unterstützungs- und Rehabilitationsmaßnahmen erfolgen.
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